Ultra-Narzissten – Die Geschichten von Donald T. und Donald K.

Der kleine Donald T. weint.
Niemand hört ihm zu. Keiner nimmt ihn wahr. Das kann er nicht ertragen. Denn sein Leben bekommt nur dann einen Wert, wenn andere ihn beachten.
Der kleine Donald K., vermutlich fiktiver Chef der Bremer Ultras ‚Grün-Weißes-Blut‘, weint ebenfalls. Werder spielt heute nicht. Er sitzt zu Hause, alleine, und keiner beachtet ihn.
Die Ultras, von denen hier die Rede ist, sind ‚Fans‘ von Werder Bremen, ca. 1000 Leute, die immer (auswärts und zu Hause) im Stadion sind. Ultras zeichnen sich dadurch aus, dass sie zweierlei behaupten:
1) Nur sie sind wahren Fans des Vereins.
2) Nur sie sorgen für Stimmung im Stadion.

Der kleine Donald T. weint wieder.
Weil er aber Politiker ist, sieht man keine Tränchen, sondern man hört nur extreme Abwertungen und extreme Aufwertungen. Die anderen sind alle Idioten, er selbst ist der einzige wahre Patriot. Donald K. liebt es und braucht es ebenso, andere ab- und sich selbst aufzuwerten: Die anderen ‚Fans‘ sind eben seiner Meinung nach keine Fans, weil sie nicht bei jedem Auswärtsspiel dabei sind und nicht die ganze Zeit während eines Spiels singen.
Der kleine Donald ist der wichtigste Mensch der Welt; alles dreht sich um ihn. Immer und überall.
Und so schaffte es Donald T. letztens auf einer Trauerfeier tatsächlich, nur über sich selbst zu sprechen, und nicht über die Verstorbene.
Auch Donald K. ist der wichtigste Mensch der Welt. Als der Autor dieses Artikels pochenden Herzens an der Bremer Sielwallkreuzung stand, aufgeregt, weil in wenigen Stunden das entscheidende Aufstiegsspiel gegen Regensburg stattfinden sollte, und der Autor sich über die Stimmung freute und die knapp 10.000 Werder-Fans filmte, die gemeinsam Richtung Stadion gingen, da kam plötzlich Donald K. auf ihn zu und versuchte ihm mit den Worten ‚Was machst du, du Arschloch?‘ das Handy aus der Hand zu schlagen. Das erstaunte den Autor. Ihm erschien das Verhalten von Donald K. als sehr seltsam; so, als hätte der Autor die komplett volle Ostkurve fotografiert (ca. 8.000 Menschen), und danach wäre Donald K. wutentbrannt auf ihn zugerannt und hätte ihm ins Gesicht gebrüllt, warum man ihn ohne seine Erlaubnis fotografiert hätte.

Wenn Donald T. zu schwarzen Footballspielern, die während der amerikanischen Nationalhymne nicht stehen, sondern knien (weil sie auf die systematische Misshandlung von Afro-Amerikanern seitens der Polizei hinweisen wollen), sagt, sie hätten gefälligst aufzustehen, so sagt er das als der wichtigste Mensch der Welt, um den sich alles dreht, und der deshalb das Recht hat, allen Menschen vorzuschreiben, was sie zu tun haben.
Genauso wurde der Autor bei einem Auswärtsspiel in Freiburg nach Aufforderung der Ultras von Donald K. mit Drohgebärden dazu angehalten, aufzustehen. Da die Ultras die wahren Fans sind, müssen sich alle anderen Fans auch ihren Anweisungen beugen, ist doch klar.

Bei Donald Ts. Veranstaltungen sind die meisten Menschen, gibt es die beste Stimmung, nur er, und er allein, kann für diese beste Stimmung sorgen.
Auch bei Donald K. und seiner Truppe ist die Stimmung Bombe. Ohne sie gibt es keine Stimmung. Die ‚Stimmung‘, die die Ultras verbreiten, sieht folgendermaßen aus:
Sie singen und trommeln die ganze Zeit.
Und es ist völlig egal, ob das Spiel schon läuft oder nicht mehr läuft.
Es ist völlig egal, ob Werder 3:0 führt oder 0:3 hinten liegt.
Es ist völlig egal, ob es gerade Elfmeter für den Gegner gibt (und die Ultras ‚Auf geht’s, Werder schießt ein Tor‘ singen) oder eine Trinkpause im Sommer.
Egal, was im Stadion passiert, die Ultras verbreiten die ganze Zeit die gleiche Geräuschkulisse.
Um sich das besser vorstellen zu können, ein Beispiel:
Der kleine Timmy spielt mit seinem Hund Tapsi. Timmy wirft einen Stock, Tapsi bringt ihn wieder zurück. Die Ultras stehen daneben, trommeln und singen.
Timmy wirft wieder den Stock, der Stock fliegt etwas zu weit, auf die Straße, Tapsi läuft auf die Straße und wird von einem Lastwagen überfahren. Die Ultras stehen daneben und trommeln und singen.

Dass die kleinen Donalds weinen, ist natürlich Quatsch.
Denn dafür müssten sie ja erkennen können, was sie sind:
Unsichere, von ihren Vätern ungeliebte kleine Männlein, die nur in einer größenwahnsinnigen Fantasiewelt eine Daseinsberechtigung haben.
Aber das können sie nicht. Und so sehen sie auf ewig in den schwarzen Spiegel der Eitelkeit und sagen: Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der Wichtigste im ganzen Land! Ausrufezeichen.

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